Ein Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens in Annaberg von Emil Finck.
(4. Fortsetzung.)
Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt. 120. Jahrgang. Nr. 33. Sonntag, 21. August 1927, S. 2
Über das Handwerk der Bäcker enthält das Ratshandbuch nur wenige und dazu recht dürftige Aufzeichnungen. Es ist daher anzunehmen, daß der Rat wohl auch nur selten Veranlassung gehabt haben mag, mit jenen zu rechten. Das ist leicht erklärlich; in gar vielen Familien knetete ja zu jener Zeit die Hausfrau selbst den Teig zum Brote, und so gestaltete sich das Verhältnis zwischen der Bürgerschaft und dem Bäckerhandwerke wesentlich unabhängiger, als es bezüglich der Fleischer möglich war.
Die Bäcker waren aber allem Anscheine nach im allgemeinen auch mehr friedlich gesinnte Leute. Ihren kirchlichen Sinn betätigten sie, indem sie um 1510 einen reichgeschnitzten Flügelaltar in die damals noch im Bau begriffene St. Annenkirche stifteten.1 Und die Gewissenhaftigkeit, mit der die Gesellen des Handwerks im Jahre 1515 die Herstellung zweier Altarleuchter verdingten, spricht gleichfalls günstig für die bei den Bäckern gehegte Gesinnung. Es hatten nämlich die Bäckergesellen mit Meister Hans Koler von Köln2 vereinbart, daß dieser ihnen zwei Kerzenträger3 „mit feinem Golde und Glasur nach dem allerbeständigsten machen und aufbereiten” solle, und sie ihm dafür 30 Gulden zum Lohne geben wollten. Sie gaben Meister Hansen fünf Gulden drauf, und dieser versprach, schierst am Pfingsttage des genannten Jahres die fertigen Gegenstände abzuliefern. Zur Festigung und Sicherheit des Vertrages ließen sie solchen am Montage nach Mariä Reinigung (6. Februar) durch den Bürgermeister Nickel Glasberg ins Stadtbuch verleiben. Und als sie nach Jubilate dem genannten Meister einen weiteren Vorschuß in Höhe von 15 Gulden gewährten, taten sie gleich also.
Die ersten Innungsartikel sollen dem Bäckerhandwerk nach Rektor Arnolds Bericht im Jahre 1508 bestätigt worden sein. Auch mögen zu Arnolds Zeiten (um 1650) noch Handwerksordnungen aus den Jahren 1544, 1550 und 1557 in der Zunftlade gelegen haben, da er solche erwähnt. Jetzt aber besitzt die Innung nichts mehr von allem dem, und es ist leider anzunehmen, daß auch das Ratsarchiv keine weitere Kunde gibt.
Das Ratshandbuch erwähnt zwar die Bestätigung der ersten Artikel nicht ausdrücklich, wohl aber zeichnet es den Handwerks-Eid vor, den der Rat alljährlich von den neuen Meistern und Viermeistern der Bäcker erforderte. Er betraf folgende zehn Punkte:
- Sie sollen fleißig zusehen, daß das Brot und die Semmel also, daß es der Heller wert sei, gebacken werde.
- Sie sollen alle Wochen drei Stunden in die Bänke gehen.
- Sie sollen Pfennigbrote backen.
- Auch die Kleie nicht teurer, denn sie der Rat gesatzt hat, verkaufen.
- Und als oft das Brot der Heller nicht wert, das zusetzen.
- Sollen auch nicht mehr denn zwei Mästungen im Jahr tun, und auf je eine nicht mehr denn zwölf Schweine mästen.
- Und sollen auch nicht mehr denn sechs Semmeln an eine Zeile stoßen.
- Sollen jedermann hausbacken und ihm das Seine geben.
- Sollen auch nicht nach der Satzung backen, auch wenn das Brot am Sonnabend abgehet.
- Der wider (die Ordnung) bäckt und zu klein, (der muß) die Buße, 18 Groschen, geben.
Im Jahre 1511 gab es längere Auseinandersetzungen zwischen dem Rate und der Innung wegen eines sogenannten Standbäckers, der sein Gewerbe, wie es heute noch zuweilen auf Jahrmärkten beobachtet werden kann, in enger, offener Marktbude vor den Augen der Leute betrieb. Die seßhaften Bäcker weigerten sich hartnäckig, denselben als Zunftgenossen anzuerkennen, und der Rat bemühte sich angelegentlichst, sie zur Nachgiebigkeit zu veranlassen. Ob dieses Verlangen auf ordnungspolizeiliche Maßnahmen sich gründete, oder etwa nur dem Wunsche des Ausgeschlossenen aus Billigkeitsgründen zu entsprechen suchte, ist nicht zu ermitteln. Den Anlaß zum Streite hatte ohne Zweifel die Marktordnung gegeben, die den einheimischen Innungsmeistern größere Rechte einräumte als allen übrigen Verkäufern, indem sie für letztere beschränkte Marktzeiten vorschrieb. So wurden denn auch am Annenfeste die beiden Vormeister der Bäcker, Nickel Beck und Frenzel, vor den Rat geladen und ihnen anbefohlen: „daß sie auf Sonntag schierst das Handwerk zusammenfordern sollen. Und daselbst einträchtig einig werden, ob sie dem Gelübde, so sie alle sämtlich und jeder besonders gegen den Bürgermeister getan, den Standbäcker in ihre Innung aufzunehmen, nachmals ihrem Gelübde Folge tun wollen”. Auch mußten sie dem Rate ansagen, an welchem Tage sie wieder vor den Rat kommen wollten, um den Fall endgültig zu erledigen. Da in der Sache nichts weiter niedergeschrieben worden ist, so darf angenommen werden, daß sich das Bäckerhandwerk dem Willen des Rats endlich gefügt hat.
Das Aufblühen des Bergwesens zu Joachimsthal im Jahre 1516, das die Entwickelung Annabergs im allgemeinen ungünstig beeinflußte, gab dem hiesigen Bäckerhandwerke vorübergehend einen merklichen Aufschwung. Den Bedarf an Fleisch deckte man bald an Ort und Stelle; denn dazu bedurfte es im Notfalle keiner besonderen baulichen Anlagen. Aber ehe man dem Bestande des Bergsegens so weit traute, daß man sich zur Erbauung von Bäckereien entschloß, dauerte es geraume Zeit. Die Brotzufuhr wurde im wesentlichen von Annaberg aus bewirkt, von wo aus ja hauptsächlich auch die Besiedelung der neuen Berganlage erfolgt war. Die ansehnliche Entfernung der Orte voneinander und die Beschwerlichkeit des Weges kamen, wie es scheint, um so weniger in Betracht, als ohnedies allerhand nahe Beziehungen gewerklicher und familiärer Art zwischen den übrigens auch namensverwandten Städten fortbestanden.
Aber die seßhaften Annaberger, die mit Sorge um ihre eigene Zukunft scheel nach „dem Thal” drüben blickten, freuten sich solch regen Brothandels nicht, sondern suchten ihn zu verhindern. Am Donnerstage nach Barthol 1517 (27. August) beschloß daher der besorgte Rat, die Abgabe von Brot nach Joachimsthal außer dem wöchentlichen Markttage verbieten zu lassen, weil insbesondere durch mißliche Ernteaussichten eine gewisse Vorsicht geboten schien.
Wahrscheinlich hat jedoch das Ratsverbot nicht viel genützt und, da das beeinträchtigte Handwerk dagegen Einspruch erhob, auch nicht lange gegolten.
(Fortsetzung folgt.)
- Der Bäcker-Altar hat nach Richters Chronik 300 Gulden herzustellen gekostet und bis zum Jahre 1688 an einem der beiden Pfeiler gestanden, die Chor und Schiff der Kirche abgrenzen. Jetzt steht er an der Seitenwand des Chorraumes in der Nähe des Münzer-Altars. ↩︎
- Allem Vermuten nach begegnen wir hier dem vollständigen Namen des vielseitigen Künstlers, der sonst als Meister Hans von Köln bekannt ist. ↩︎
- In der Handschrift ist nur von „Kerzen” die Rede, doch die übrigen Umstände besagen, da Leuchter gemeint sind. ↩︎