Von Siegfried Sieber, Aue.
Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 134. Jahrgang Nr. 12 vom 23. März 1941. S. 4.
Selten haben deutsche Kaiser das Erzgebirge berührt. Lag es doch weit ab vom Zentrum des alten deutschen Reiches. Zudem wurde es erst um 1200 leidlich wegbar und bewohnbar. Einer der ersten deutschen Herrscher des hohen Mittelalters hat aber zweimal im Erzgebirge geweilt.
Adolf von Nassau war 1292 nach dem Tode Rudolfs von Habsburg zum deutschen König gewählt worden. Der tapfere und für die damalige Zeit gut gebildete Graf konnte sich schwer gegen die Macht der großen Reichsfürsten und besonders der Habsburger durchsetzen und mußte sogar, um für innerdeutsche Aufgaben Geld zu beschaffen, ein Bündnis mit England eingehen. Vor allem aber brauchte er, wie sein Vorgänger Rudolf von Habsburg, eigene Hausmacht. Er wollte sie von den Wettinern erwerben, die damals Thüringen und die Mark Meißen inne hatten. 1294 fiel Adolf deshalb in Thüringen ein und ließ das Land arg verwüsten. 1295 begann ein neuer Feldzug, der den Kaiser ins Erzgebirge führte. Galt sein Streben doch der damals reichsten Stadt im deutschen Osten, der Silberstadt Freiberg. Sie war mit Ringmauer, Türmen und Wallgräben gut befestigt und hatte vom Meißner Markgrafen Friedrich dem Freidigen Verteidiger zugeschickt bekommen. Ein Jahr und vier Monate lang belagerten die aus den Rheinlanden und Schwaben herangerückten Krieger die stolze Bergstadt und mußten es erleben, daß einmal unter ihrem Lager alte Silberschächte und Bergwerksstollen einbrachen und viel Angreifer unschädlich machten. Endlich gelang die Eroberung durch Verrat eines Freiberger Bürgers, der ihnen zeigte, wie sie am Einlauf des Münzbaches die Mauer zerstören und eindringen könnten. Viele der Verteidiger wurden von den übermütigen Siegern hingerichtet. Von anderen wurde hohes Lösegeld erpreßt. Erst nach dem Sturz Adolfs von Nassau (1298) konnte der Meißner Markgraf seine Stadt Freiberg wieder erobern.
Vorher kam Adolf nochmals ins Erzgebirge, und zwar suchte er diesmal die Städte Grünhain und Lößnitz auf. Im April 1296 kam er von Altenburg über Zwickau heran, benutzte die damals wichtigste Straße über das noch wenig erschlossene Westerzgebirge, die von Zwickau über Härtensdorff und das alte Dorf Zschocken nach Hartenstein führte, wo ja um 1173 bereits eine Burg stand. Von da verlief die Straße über die Meisterei, am heutigen Lößnitzer Schützenhaus vorbei durch die alte befestigte Stadt Lößnitz nach dem Gotteswald und Grünhain. Dort lag das weit und breit berühmte Kloster Grünhain, das größte des Erzgebirges, reich ausgestattet mit Landbesitz. Der gastfreundliche Abt empfing hohe Gäste. Denn während Kaiser Adolf von Norden herreiste, hatte der Böhmenkönig Wenzel II. auf dem alten Erzgebirgspaß von Preßnitz den Kamm überschritten und die Straße über Schlettau und Elterlein nach Grünhain benutzt. Die beiden mächtigen Fürsten hielten in Grünhain eine Zusammenkunft hochpolitischer Art. Denn gleich nach Adolfs Wahl zum deutschen König hatten sie sich verbündet und eine Heirat ihrer Kinder Ruprecht und Agnes verabredet. Jetzt führten sie ihre Kinder in Grünhain zusammen. Adolf war begleitet von seinem Sohn Ruprecht, Wenzel brachte seine Tochter Agnes mit. Nach der Zusammenkunft, über die wir nichts weiter wissen, nahm Wenzel das Brautpaar mit und ließ die Hochzeit ausrichten. Doch starb die junge böhmische Prinzessin bald, und die daraus sich ergebende politische Folge war eine Entfremdung der beiden Väter.
Kaiser Adolf aber nahm seinen Rückweg wiederum über Lößnitz. Wir wissen das nur daher, daß er in Lößnitz am 12. Mai 1296 eine Urkunde unterschrieben hat, die zufällig noch erhalten ist. Er gestattet darin einem Kloster, in Freiberg ein Haus zu erwerben. Zweifellos war Lößnitz damals einer der wichtigsten Städte des Erzgebirges. Besaß es doch sogar eine Münzstätte. Erst zweihundert Jahre später trat die Stadt Lößnitz durch das plötzliche Emporkommen der Stadt Schneeberg etwas in den Hintergrund.