Ein Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens in Annaberg von Emil Finck.
(6. Fortsetzung und Schluß.)
Erzgebirgisches Sonntagsblatt. 121. Jahrgang. Nr. 37. Sonntag, den 11. September 1927, S. 5.
Vergleicht man die Brot- und Fleischpreise jener Zeit miteinander und stellt ihnen die jetzt üblichen Preise gegenüber, so kommt man zu folgendem überraschenden Ergebnis:
Man erhielt:
1506 für 3 Pfennig: 1 Pfd. Rindfleisch oder 118½ Lot = 3⅔ Pfd. Brot
1514 für 5 Pfennig: 1 Pfd. Rindfleisch oder 150 Lot = 4⅔ Pfd. Brot
1900 für 70 Pfennig: 1 Pfd. Rindfleisch = 6 Pfd. Brot
Da der Getreidepreis jederzeit bedeutenden Schwankungen unterworfen war, so erwuchs dem Stadtrate viel Mühe und Ärger mit den Umgestaltungen der Bäckerei-Ordnung hinsichtlich des rechten Gewichts. Bald klagte der gemeine Mann, daß er übervorteilt werde, bald beschwerten sich die Bäcker über Benachteiligung durch die vorgeschriebene Taxe. Um einen festen Anhalt zu gerechten Entscheidungen zu gewinnen, ließ der Rat unter Hinzuziehung etlicher Zeugen je einen Scheffel Roggen und Weizen mahlen und zu Brot und Semmel verbacken. Das Ergebnis legte er dem als Rechenmeister berühmten kurfürstlichen Receßschreiber Adam Ries mit dem Auftrage vor, es zur Grundlage einer beweglichen Bäckerei-Ordnung zu machen, diese aber so zu gestalten, daß man beim Steigen und Fallen des Getreidepreises gleich wüßte, wie schwer das Gebäck sein müsse und wieviel Brote oder Semmeln alsdann aus je einem Scheffel zu backen wären.
Ries überreichte dem Rate die fertige Berechnung im Jahre 1533. Da sie außerordentlich ansprach und auch nach fremden Orten vielfach begehrt wurde, so ließ sie der Verfasser bald darauf in Druck erscheinen. Den großen Ruf, den er durch seine vorher herausgegebenen methodischen Rechenbücher bereits erlangt hatte, hat er durch dies sein „Gerechent Büchlein” ungemein erweitert und gefestigt. In gar vielen Städten des Reichs wurde es zur Grundlage der amtlichen Brottaxen gemacht, und die sprichwörtliche Redewendung „das macht nach Adam Ries so und so viel”, die der Volksmund noch jetzt gebraucht, mag sich wohl hauptsächlich auf dieses Riesesche Buch gestützt haben. Da es ziemlich selten geworden und in Annaberg überhaupt nicht mehr vorhanden ist, so liegt es nahe, hier auf seinen Inhalt einzugehen.
Das Vorwort des Verfassers hat folgenen Wortlaut:
Den Erbarn Weisen vnd Namhafftigen Burgermeistern vnd Rathmannen der Stat S. Annabergk. Meynen besondern günstigen Herrn.
Erbare Weyse großgünstige Herrn.
Nachdem ewer Erbar weißheit / Kurtzuorschinner tzeit / etliche maß den Schöffel betreffent zumachen vorordent / als nemlich dreyzehn / gleich einem eingesatzten gewicht. Das gröste noch so gros als das volgende / darmit anderer vmbligender Stet gedreitmaß erforschet kan werden / Vnd der arme gemeine man ym Brotkauff nicht vbersetzt würde. Darneben beradtschlagt vnd bepholen / das ein schöffel Korn / auch ein schöffel Weitz / yedes ynn sonderheit vom Metzgetreide zu nemen / ynn beysein etlicher des Rats vnnd der gemeinde zu malen vnd zu backen Alda ewr Erbarkeit gefunden. Nachdem der kauff im Korn vnnd Weitz dise zeit gleich / vnd vmb zwenvndvierzick groschen der schöffel gekaufft / das ein halbgroschen brott wegen sall drei pfunt / ein pfennigbrott sechzehenn lott / vnnd ein par semel zwölff lott / alles vngeschwemmet vndd voll aufgebacken. Darauff mich ewr Erbar weisheit beschickt vnnd bepholn / auff obgemelte Mas ein Rechnung zu stellen / auff das man wöste welchs Mas des schöffels vmb 1 pfennig den hocken zu geben / zugestellt / yn Arweisen, Gersten, Weitz / Graupen etc. Dem kauff nach vnd die weil auch das gedreit als Korn vnd Weitz nicht stetz in einem kauff / das ich darneben die Rechnung vffs brotbacken / dem fallen vnd steigen nach machen solt. Welches ich nicht gewegert / Müglichenn vleis fürgewandt vnnd volgendt Büchleinn gemacht / Welchs nicht allein zum gedreytmaß nützlich sondern auch zum pfuntgewicht vnnd weinmas, do der eymer / viervndsechtzik kandell hatt / gebraucht kan werden. Vbereigen dis Büchlein ewer Erbar weißheyt / der ich mich hiermit dinstlich bephile.
E. E. Weißheit.
Vnderteniger Burger Adam Ries.
Das Buch enthält insgesamt 151 Quartseiten. Zunächst erläutert es eingehend die Einteilung des Getreidemaßes, Kramgewichts und Weinmaßes. Sodann zeigt es in übersichtlichen Tabellen an, wieviel 1 ‒ 49 Scheffel, Pfund oder Eimer, sowie deren Maßteile kosten müssen, wenn der Einheitspreis 1 Pfennig, 2 Pfennig u. a. w. bis zu 5 Gulden beträgt.
Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß der Rat aus Billigkeitsgründen die den Bäckern günstigeren Tabellen als feste Norm für das Brot- und Semmelgewicht erklärt hat. Schon ihr Vorhandensein überhaupt spricht dafür. Um so strenger ließ er aber auch die Bäcker beaufsichtigen und, wenn es sich nötig machte, wegen Übervorteilung des gemeinen Mannes bestrafen.
Schon am Montage nach Trinitatis 1514 (12. Juni) hatte der Rat unter Bürgermeister Georg Kanz in einer Ordnung, „die Becken belangend, befohlen, daß das Brot und die Semmeln vollwichtig nach des jeweiligen Rats Satzung gebacken würden.”
Der Geist warmherziger Fürsorge um das Gemeinwohl prägt sich noch weiter und schöner aus in der Mahnung an alle Händler und Handwerker in der Gemeinde, daß ein jeder sein Gewerb, Hantierung und Handel aufrichtig treiben solle.