Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 18, 2. Mai 1926, S. 6
Heimatkundliche Plauderei von Emil Finck.
(Fortsetzung.)
Damit soll freilich nicht gesagt sein, daß nicht auch noch viele andere Männer wegen ihrer treuen Hingebung und verdienstvollen Aufopferung um das Gemeinwohl solcher Ehrung würdig gewesen seien.
Die Zeitfolge der Wirksamkeit jener Männer — nicht das Alter der Straßenbenennung — mag bei der Besprechung in der Hauptsache führend sein.
Seit 1897 gibt’s eine Rubner-Gasse. Das zum Teil auch in Schmalzgrube und Sorgenthal bei Jöhstadt begütert gewesene Geschlecht der Rubner hat im 17. und 18. Jahrhundert durch vier Generationen hindurch unserer Bergstadt eine ganze Reihe tüchtiger und für das Gemeinwohl tätiger Bürger zugeführt. Die Gasse erinnert aber besonders an Christoph Joseph Rubner, der in der Zeit von 1751 bis 1770 zehnmal regierender Bürgermeister und vordem schon Stadtrichter und Vizebürgermeister war. Er ist zu Annaberg am 10. August 1694 geboren, starb am 13. Juni 1770 und ward in der St. Annenkirche beigesetzt. Nach ihm wird noch heute das „Rubnergut” bei Schlettau benannt, das in seinem Besitz war. Auch die Initialen CJR am mittleren der drei von ihm erbauten Häuser am Markt (ehemals „Hotel zur Post”) (1) erinnern an ihn. Da unter seiner Amtsführung der Siebenjährige Krieg die Stadt in harte Bedrängnis gebracht hatte, so setzte er eine erhöhte Bierbesteuerung zur Tilgung der Kriegsschuld durch und verbot 1769 durch Anschlag am Böhmischen Tore den Annaberger Bürgern bei Strafe eines alten Schocks den gewohnten Besuch des Kleinrückerswalder Lehngerichts, wo ein gutes und wohlfeileres Bier gebraut und ausgeschenkt wurde.
Der unterhalb der Bergkirche gelegene Benedikt-Platz führt seinen Namen nach der hochangesehenen Familie, die dort länger denn hundert Jahre ein stattliches Haus bewohnte und fast allen angrenzenden Grundbesitz innehatte. Die Benennung von amtswegen erfolgte am 13. Februar 1863. Wesentliche Verdienste um die Stadt hat Christian Friedrich Benedikt gehabt, der am 13. Januar 1755 zu Annaberg geboren ward und am 17. Januar 1831 gestorben ist. Zum Ratsmitglied im September 1793 erwählt, resignierte er zunächst Exaudi 1798. Da aber 1801 trotzdem seine Wiederwahl erfolgte, so diente er der Stadt nunmehr treulich bis zu seinem Tode. Von 1810 an bekleidete er zunächst sieben Jahre lang das Amt eines Stadtrichters, dann ward er Bürgermeister. Sein Bruder M. Traugott Friedrich Benedikt war 1814 bis 1833 Rektor der hiesigen Lateinschule. Der Vater beider aber, der Kaufmann Karl Friedrich Benedikt, der am 19. Juni 1782 verstarb, gehörte von 1773 ab gleichfalls dem Ratskolleg an.
Der Name Mende-Gäßchen (2) ist aufgekommen, als die Familie Mende die beiden anstehenden Häuser (Nr. 791/92 im Grundbuche) innehatte und dort einen offenen Kramladen hielt. Sicherlich hat die Bezeichnung vordem mit den Anwohnern gewechselt, und sonach ist zu vermuten, daß auch der Name Uttmann für die Gasse einmal bezeichnend gewesen ist. Die Namengebung besorgte der Volksmund. Die jetzt bestehende Benennung aber ist von amtswegen beibehalten worden zur Erinnerung an den Kramer Christian Samuel Mende, der von 1793 bis 1826 dem Rate der Stadt angehörte, von 1801 ab Stadtrichter war und 1811 zum ersten Male regierender Bürgermeister wurde. Seine Heimat war Görlitz. Als er am 11. September 1826 starb, war er 74 Jahre 6 Monate alt. Auch sein Sohn Gustav Eduard Mende gehörte von 1832 ab dem Rate, beziehungsweise dem Stadtverordnetenkollegium als dessen Vorsteher an. er starb 1862.
Zu den angesehensten Annaberger Familien haben im ausgehenden 18. Jahrhundert und auch noch späterhin die Eisenstucks gehört. Der Posamenten-, Band- und Spitzenhandel, den sie im großen betrieben, hatte sie weltbekannt werden lassen. Die „Handlung“, wie man das Geschäft hier kurzweg nannte, versorgte eine lange Zeit hin das ganze obere Erzgebirge mit lohnender Beschäftigung (3). Ihre Fabrik-, Lager- und Versandräume, Stallungen usw. umfaßten einen ganzen Häuserblock, der von Silberstraße, Siebenhäusergasse und beiden Badergassen begrenzt wird. Dabei waren nicht einmal die Wohnhäuser alle mit inbegriffen, wie beispielsweise das Eckhaus an der Großen Kirchgasse, in dem jetzt das Erzgebirgsmuseum sich entfaltet. Aus alledem ist zu entnehmen, wie der Eisenstuck-Platz zu seinem Namen gekommen. Die amtliche Bestätigung der längst gebräuchlichen Benennung erfolgte ehrenhalber im Jahre 1879.
Bereits Johann Jakob Eisenstuck, der 1747 das hiesige Geschäft begründet, hat von 1751 ab das Amt eines Stadtrats bekleidet. Seine Heimat war Eßlingen am Neckar, wo er 1700 geboren ward. Zunächst suchte er vorübergehend sein Glück in Heilbronn, aber 1728 verheiratete er sich mit Johanne Christiane Kunz in Buchholz, wo er auch bis zu seiner Übersiedelung nach Annaberg mit Kaufmann David Kunz gemeinsam ein Geschäft betrieb.
Sein ältester Sohn Christian Jakob Eisenstuck, geboren zu Buchholz am 26. Februar 1734 und hier gestorben am 31. Dezember 1810, wurde 1770 Senator, von 1783 ab Stadtrichter und 1795 Bürgermeister. Beim Ratswechsel am Sonntage Exaudi 1801 legte er das Ehrenamt freiwillig nieder.
An seine Stelle wurde aber sofort wieder dessen ältester Sohn in den Rat gewählt. er hieß Johann Christian Eisenstuck und war 1757 am 20. Dezember hier geboren. Schon 1804 übertrug man ihm erstmalig das Richteramt, und 1827/28 war er regierender Bürgermeister. Ihm gehörte das Rittergut Schönfeld, das er zu seinem Tusculum machte. er starb zu Annaberg am 21. April 1831. Seiner Grabstätte widmen einheimische und fremde Besucher des Trinitatisfriedhofs gern einen verweilenden Blick.