Erzgebirgisches Sonntagsblatt 121. Jahrgang, Nr. 11, 11. März 1928, S. 1 -2
Heimatkundliche Plauderei von Kurt Welker.
Mit dem Ende des 13. Jahrhunderts schloß die erste Blütezeit des sächsischen Silberbergbaues. Die der Sage nach von einem Goslaer Fuhrmann zwischen 1162 und 1170 bei Christiansdorf, dem nachmaligen Freiberg, entdeckten, über Tage anstehenden Erzlager waren abgebaut. Mehr als hundert Jahre hindurch hatten die reiche Ausbeute gegeben. Um neue Erzgänge zu erschließen, mußte der Bergmann in die Tiefe steigen. Die Anlage von Schächten und Stollen verlangte jedoch bessere technische Einrichtungen und leistungsfähige Wasserhaltungs- und Förder-Maschinen, die dem Bergbau jener Zeit noch nicht zur Verfügung standen.
So ist es erklärlich, daß sich der Bergmann zunächst nach anderen, leichter abzubauenden Fundstätten umsah. Er fand sie auch an den verschiedensten Stellen unseres Sachsenlandes. Schon seit 1165 wird vom Bergbau im Gebiet des Altzeller Klosters berichtet. Lößnitz i. E. wird 1283 als Münzstätte der Burggrafen von Meißen erwähnt. Dippoldiswalde (1218) und Scharfenberg a. Elbe (1227) galten als die äußersten Punkte des silberfündigen Gebiets.
Um das Ende des 13. Jahrhunderts kann schon Silberbergbau in der Grafschaft Wolkenstein festgestellt werden. Herr Unnarg von Waldenburg schenkte dem Nonnenkloster „Auf dem Throne“ zu Nimbschen bei Grimma den Bergzehnten der Herrschaft Wolkenstein. Gefunden wurde Silber, Kupfer, Zinn, Blei und Eisen, außerdem aber auch Granaten, Amethyst, Carneol, Jaspis und Achat. In derselben Zeit besaßen die Herren von Waldenburg auch Zinn- und Silbergruben auf dem Sauberg bei Ehrenfriedersdorf.
Nachrichten über den Bergbau in dem zum Kloster Grünhain gehörenden Bezirk Frauenstein liegen aus den Jahren 1335 und 1339 vor. Von Wolkenstein, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Thum und Zschopau wird 1407 lebhafter Bergbau berichtet. In Hohenstein bei Chemnitz war seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts St. Lampertus in Betrieb. Außer Kupfer und Gold konnten 1582 – 1644 845,2 Mark Silber ausgebracht werden (ca. 200 Kilogramm).
Alle diese Orte lagen zumeist noch am Fuße des Erzgebirges. In den höheren Bezirken, im sogenannten „Hungerland“, wagte noch niemand sich dauernd niederzulassen.
1442 wurde jedoch bereits auf dem Ostabhange des Pöhlberges die Grube „St. Briccius“ bei Geyersdorf auf Silber gebaut.
Die Besiedlung des Obererzgebirges setzte erst mit der Entdeckung der Schneeberger Hauptsilberlager 1470 ein. In geradezu amerikanisch anmutendem Tempo entstanden in wenigen Jahrzehnten volkreiche Städte. Tausende lockte die Aussicht auf schnellen Reichtum nach Schneeberg. Der Bauer ließ den Pflug, der Schmied den Amboß stehen und schloß sich dem Zug der Silbersucher an. 1478 waren innerhalb dem die Stadtmauer ersetzenden Zaun 51 Zechen in Betrieb. 110 Gruben befanden sich außerhalb der Stadt, keine davon weiter als ¼ Stunde entfernt. Ein Jahr vorher hatte Herzog Albrecht sein denkwürdiges unterirdisches Mahl auf „St. Georg Zeche“ einnehmen können. Die als Tisch dienende Silberstufe ergab beim Ausschmelzen 400 Zentner Silber. Ein Fieber ergriff die Bevölkerung, das nur mit dem Treiben in Goldgräberbezirken unserer Zeit verglichen werden kann. Wer in Schneeberg nichts zu finden glaubte, zog nach anderen Gegenden des Erzgebirges, um dort sein Glück zu versuchen. In Beierfeld bei Schwarzenberg ließ ein Herr von Schönburg-Glauchau nach Silber graben. Er setzte auch den schon früher betriebenen Bergbau am Galgenberg bei Elterlein fort. Breitenbach, Breitenbrunn, Grünhain und viele andere werden als Bergbauorte genannt. 1484 ist von der „Mönchsgrube“ bei Wüstenschlette die Rede.
Den nach der Gegend des späteren Annaberg gezogenen Bergleuten glückte am 27. Oktober 1492 die Freilegung silberhaltiger Erde, die zur Anlegung vieler Stollen im Schreckenberge führte. 125.000 Gulden Ausbeute sollen diese Gruben allein in den ersten drei Jahren geliefert haben. Wie vordem Schneeberg, wurde jetzt das Gebiet des späteren Annaberg der Mittelpunkt des Silberbergbaues. 1497 werden schon Bergwerke zu Buchholz erwähnt. 1515 entdeckte Kaspar Klinger aus Elterlein Silbergänge bei Scheibenberg. Die Fabian-Sebastian-Fundgrube bei Marienberg wurde 1519, der Palmbaumer Zug 1520 fündig. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts wurde in der Gegend von Schlettau nach Silber gegraben.
In wenigen Jahrzehnten war das Erzgebirge, von weniger wichtigen Orten abgesehen, in dem heutigen Umfange besiedelt worden. Das „Hungerland“, wie man das Gebirge nannte, wurde die Hauptstütze des sächsischen Wirtschaftslebens. Während noch 1495 Abgesandte des sächsischen Herzogs, die in die „wilde Ecke“ geschickt worden waren, um die Möglichkeiten für eine Städtegründung zu untersuchen, die „Wildnis“ als ganz ungeeignet für die Anlage einer Stadt bezeichneten, wurde schon 2 Jahre später der „Neustadt am Schreckenberge“, dem späteren Annaberg, Stadt- und Bergrecht verliehen. Der Silberreichtum schien unermeßlich zu sein. 51 Zechen entstanden allein von 1496 bis 1499. Die Annaberger Münze sah sich außerstande, die Menge des geförderten Silbers auszuprägen, so daß Silberbarren als Zahlungsmittel gelten mußten. 1507 konnten die Annaberger Gruben 333.000 Gulden an die Gewerken verteilen, eine Summe, die einen heutigen Kaufwert von mindestens 50 Millionen Mark hatte. Bekam man doch für einen Pfennig 6 Eier, für 4 Groschen einen Scheffel Korn. 12 Pfennige waren ein Groschen und 21 Groschen ein Gulden.
Das gute sächsische Geld wurde eine feste Stütze des sächsischen Finanzwesens. Auf ihm beruhten außer der sächsischen auch ein gut Teil der deutschen Finanzwirtschaft. Die Freiberger Münze prägte mehr Silber aus als alle englischen Münzstätten zusammen.
Urkundliche Nachrichten über jene ersten Jahre des Silberbergbaues sind naturgemäß spärlich. Die Bergleute waren keine Chronisten, die ihre Erlebnisse für die Nachwelt aufzeichneten. Sie arbeiteten still für sich und hatten kein Interesse daran, daß ihre Funde der Allgemeinheit zu schnell bekannt wurden. Einigen Aufschluß geben darum nur die verschiedenen Sagen. Als die Entdecker des Annaberger Silberreichtums kommen zwei Bergleute in Frage. Der 1584 als Professor in Leipzig verstorbene Dr. Barth erzählt von einem Bergmann Daniel, der zufolge eines Traumes an einer Stelle gesucht habe, an der kurz zuvor der Blitz eingeschlagen habe. Dabei hätte seine Wünschelrute bedeutend ausgeschlagen und so zur Entdeckung der Silbergänge geführt. Nach anderen Geschichten hieß dieser Bergmann Daniel Knappe. Ihn habe im Traum ein Engel aufgefordert, einen bestimmten Baum im Walde aufzusuchen; dort werde er silberne Eier finden. Nach anderen Sagen habe ein Bergmann, den die alte geschriebene Geschichte von Annaberg Kaspar Nietzel oder Nitzelt nennt, am Schreckenberg geschürft und am 27. Oktober 1492 in der Dammerde einen lettigen Gang entdeckt, der im Zentner zwei Lot Silber enthielt. Die Fundstelle war eine geringe Vertiefung in dem Garten, der an den Frohnauer Hammer stößt und rechts von der Sehma begrenzt wird. Andere berichten, daß Kaspar Nietzelt am Abende vor Fronleichnam an der Sehma fischen wollte. Dabei sei ein Teil des Ufers abgebrochen und Erz freigelegt worden, das der kundige Bergmann als silberhaltig erkannte. Diese Begebenheit habe zur Gründung des „Fronleichnamstollens“ geführt. Eine andere Sage berichtet, daß die Entdeckung der Annaberger Silbergänge schon 1491 angezeigt worden sei. Rings um den Pöhlberg hätten lichterloh Flammen gebrannt, die ausgesehen hätten, als ob Pulver aufloderte und plötzlich verlöschte und die die Ausgänge und Klüfte der Metalladern angezeigt hätten.
Von der Entdeckung der Silberlager zu Elterlein wird folgende amüsante Geschichte erzählt:
Ein Pater des Klosters zu Grünhain war an einem heißen Sommertage unterwegs nach einer Kapelle. Die große Hitze veranlaßte ihn zu einer Ruhepause. Er setzte sich, um sogleich wieder mit einem Schmerzenslaut aufzuspringen. Bei der Untersuchung fand er einen Zacken Silber ein ganzes Stück aus dem Erdboden hervorragen. Um die Stelle wieder zu finden, deckte er seine Kutte darüber und eilte nach Hause, um seinem Abt von dem Fund zu berichten. An dieser Stelle wurde dann ein ergiebiges Bergwerk errichtet, das den Namen „Die Kutte“ erhielt.
Vom Scheeberger Bergbau wird erzählt, daß eine Magd, die auf den Neustädter Feldern Gras holte, einen Silberzahn mit nach Hause brachte, den sie mit der Sichel abgehauen habe. Mehrfach wird berichtet, daß Tiere durch Scharren silberführende Adern bloßgelegt hätten. Von Johanngeorgenstadt indessen behauptet die Sage, daß an einem Vogelherd in den dortigen Wäldern drei Tage lang von früh bis mittag Geläute gehört worden sei. Dadurch wären Bergleute veranlaßt worden, an jener Stelle zu schürfen. Sie hätten Erfolg gehabt, so daß ein Bergwerk errichtet werden konnte, das zum Gedenken jener Begebenheit „Glockenklang und Vogelsang“ geheißen habe.