Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 22, 30. Mai 1926, S. 1
Nach dem Original des Chronisten Mag. Jenisius (1592/1604)
Nachdem wir in der letzten Nummer das moderne Annaberg aus der Vogelschau kennengelernt haben, sehen wir heute das Annaberg vor 300 Jahren in einem vom Chronisten Jenisius gezeichneten Stadtplan.
Jenisius schreibt: „Die Stadtmauer Annabergs hat einen Umkreis von ¾ Stunden. Die Ausdehnung vom Wolkensteiner Tore (Nr. 1 des Plans) bis zum Buchholzer Tore (Nr. 33) beträgt nur wenig mehr als die vom Böhmischen Tore (34) bis zum Frohnauer Tore (24). Die Stadtmauer hat fünf große Tore, und zwar außer den vorgenannten vier noch das Mühltor (14), die am Tage geöffnet sind, und ferner 2 Pforten, durch die man gehen und reiten kann: das Stufenpförtlein (25) und das Klosterpförtlein (15). Im Umkreis der Mauer stehen 19 Türme; einige derselben sind bewohnbar und alle – wie die Stadtmauer selbst – mit Ziegeln gedeckt. An 2 Toren sind steinerne Brücken: die eine am Wolkensteiner Tor, 1584 erbaut, die andere am Böhmischen Tor, 1586 erbaut.
Die wichtigsten Gassen sind: Die große Kirchgasse (35), die Wolkensteiner Gasse (2), die Fleischergasse (17), die Klostergasse (16), die Frohnauer Gasse (26) und die Buchholzer Gasse (36). Ein von diesen abgesonderter Hügel wird, weil er gegen die Sonne sich neigt, Sommerleite (3) genannt. Die übrigen sind von den genannten Ausläufer, die sich überall hin wie Aeste von einem Stamm verzweigen.
Plätze hat die Stadt drei. Der große Markt (28) vor dem Rathause hat nach den Waren, die feilgehalten werden, mancherlei Namen: der Fischmarkt, der Naschmarkt, der Kräutermarkt, der Frauenmarkt. In der Mitte des Marktes steht der Röhrkasten, sowie in den einzelnen Gassen (seit 1527) runde Wasserbottiche. Von ersterem werden gewisse Gebote und Verbote durch den Stadtknecht ausgerufen.
Außer dem großen Markt hatte die Fortsetzung desselben nach der Wolkensteiner Gasse noch den Getreidemarkt, Saumarkt und Strohmarkt (12) und weiterhin den Holzmarkt (11). Durch das jetzige Mendegäßchen gelangte man auf den Topfmarkt (29). Der dritte ist der Brotmarkt oder alte Kirchhof (10), d. i. der Platz unterhalb der Kirche, der von 1548-1575 zum Brotverkauf diente. (Bis 1507 war dieser Platz Gottesacker gewesen.)
Das Wasser aus den gepflasterten Gassen und den Häusern mündet durch Anzuchten in den mitten durch die Stadt gehenden Stadtbach, der sein Wasser aus dem Fischteich (B, auch Pferdeteich) empfängt. Er fließt von oben an durch die Stadt hinunter in die Fleischergasse und verläßt am Mühltor (14) die Stadt. An diesem Bach müssen die Fleischer und Gerber ihre Wohnung haben, damit alle Unsauberkeit sogleich fortgeschwemmt werde.
Unter den Zierden, die die Hand des Menschen in der Stadt errichtet hat, hat bloß die St. Annenkirche (6) die großen Brände überdauert.
Das zweite Hauptgebäude war das 1604 abgebrannte Franziskanerkloster mit Kirche und großem Garten. Dem Kloster gegenüber lag das Abthaus (1518-1604; jetzt Klosterstr. 10), in dem der Chemnitzer Abt bei seinem Hiersein wohnte. Ein gewölbter Bogen führte wie eine Brücke aus demselben ins Kloster. – An Stelle der jetzigen Bergkirche stand die Marienkapelle oder Knappschaftskapelle (30), ebenfalls 1604 abgebrannt.
Oberhalb der Hauptkirche (an Stelle des jetzigen Gewerbeschulgebäudes) erblicken wir die Schule (9), die 1549 vollendet, 1604 ebenfalls abbrannte.
An Stelle der jetzigen Superintendentur stand die Pfarre (7). Die Wohnung des Hauptgeistlichen an der Annenkirche war bis 1549 auf dem Platz der Schule, dann 1549-1576 das spätere Archidiakonat (8) und endlich die noch bestehende Superintendentur (Kl. Kirchgasse 23).
Das Rathaus (19) war 1535 erbaut und brannte 1604 ebenfalls ab. Hinter demselben (an Stelle der jetzigen Hauptwache) wurde 1523 das Kauf- und Gewandhaus (20) erbaut. Im Erdgeschoß waren die Fleischbänke, im Obergeschoß hielten zu Jahrmarktszeiten die Tuchmacher und andere Händler feil. Der Tanz bei den Hochzeiten Aermerer wurde daselbst abgehalten, während derartige Vergnügungen der Wohlhabenderen im oberen Geschoß des Rathauses stattfanden.
Die Baderei (22; jetzt Fleischergasse 4) war hinter dem Kaufhause. 1515 baute man die obere Badstube (37; jetzt Färberei W. Wünsche).
Neben dem Kaufhaus nach dem Markte zu befand sich die Garküche mit der Wage (jetzt Wolkensteiner Str. 1), 1560 erbaut; auf der entgegengesetzten Seite des Rathauses war die Büttelei und das Gefängnis oder die Fronfeste. Letztere wurde 1541 „mit vielen Verhältnissen für die Uebeltäter unter und über die Erde“ erbaut, während sie sich vorher in dem engen Gäßchen von der Kl. Kirchgasse nach dem Saumarkt (Hintergebäude zu Kl. Kirchgasse 1) befand.
Bei der Bergkirche erhob sich das Bergamtshaus (j. Münzgasse 1) und etwas weiter unten die Münze (31; Hintergebäude von Frohnauer Gasse 2).
Unterhalb der Buchholzer Gasse erbaute man 1508 den Marstall (32; jetzt Johannisgasse 17). Beim Mühltor links stand das Kornhaus (21; j. Malzhaus), seit 1510 erbaut, und rechts der seit 1524 erbaute Kuttelhof (23; bis 1893/94).
Links vom Böhmischen Tore erbaute der Rat 1534 das Malzhaus (13; seit 1844 steht dort die katholische Kirche). Zwei Brauhäuser (P des Plans) sorgten für den Durst der zahlreichen Bewohner.