Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 122. Jahrgang, Nr. 21, 26. Mai 1929, S. 5.
Unter der Regierung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. (1611-1656) lebte zu Dresden der Oberlandbaumeister Wilhelm Dilich, über dessen nähere Lebensumstände wenig auf uns überkommen ist. In der Hauptsache wissen wir, daß er im Jahre 1627 den (im Jahre 1704 abgebrannten) Riesensaal im Schlosse zu Dresden in der breitspurigen Art jenes Zeitalters ausstattete und im Auftrage seines Landesherrn während des 30jährigen Krieges Federzeichnungen von einer großen Anzahl kursächsischer Ortschaften schuf, die in ihrer Zierlichkeit noch heute das Interesse jedes Vaterlandsfreundes erregen. Wir werden in unserer „Illustrierten Erzgebirgischen Sonntagszeitung” eine Anzahl Bilder obererzgebirgischer Städte bringen, die von ihm stammen und nicht zu verwechseln sind mit den deutschen Städtebildern seines schweizerischen Zeitgenossen Matthäus Merian, von denen schon einige in diesen Blättern (z. B. in der ersten Nummer der I. E. S. vom 28.3.1926: „Buchholz im Jahre 1628”) erschienen sind.
Schlettau vor dreihundert Jahren.
Unser vorstehendes Bild, nach einer Dilichschen Federzeichnung, führt uns die Nachbarstadt Schlettau um das Jahr 1630 vor Augen. Rechts erblicken wir das damals noch hochbetürmte Schloß, eine etwa 1000jährige Wasserburg, die zum Schutze des uralten Heer- und Handelsweges diente, welcher von Leipzig über Chemnitz, Zwönitz, Elterlein und den Weiperter Paß nach Komotau und Prag führte. Der Name „Schlettau” weist auf sorbische Gründer hin; denn sleta (tschechisch slatina) bedeutet „Moorboden”. Das älteste Stadtsiegel zeigt den Namen „slete”. Das später kurfürstliche Jagdschloß brannte u. a. 1698 infolge Blitzschlags gänzlich nieder.
Am linken oberen Ende des Ortes sieht man die ebenfalls öfter durch Feuer zerstörte St. Ulrichskirche, in der sich auch das Grab des bekannten sächsischen Feldhauptmanns Wolf Tiefstetter († 1.10.1572) und an der Ostseite sich das bekannte „Mönchsgesicht” befindet.
Bis zum Jahre 1629 waren die Bewohner Schlettaus wie des Erzgebirges überhaupt von den Greueln des Krieges fast gänzlich verschont geblieben. Im August 1632 jedoch nahte General Holck, von Schwarzenberg kommend, mit 6000 Mann der Stadt, die alsbald in Brand gesteckt und mit Mord und Plünderung überzogen wurde. Schon im folgenden Jahre, als Holck nach der Niederlage bei Lützen auf seinem Rückzuge nach Böhmen abermals mit 16.000 Mann des kaiserlichen Heeres in unsere Gegend kam, folgten neue schwere Leiden, und 1634 hauste die kaiserliche Soldateska (namentlich Kroaten) im Obererzgebirge. Den Höhepunkt erreichten Schrecken und Leiden aber, als 1639 das schwedische Elend über das Gebirge hereinbrach; die seit dem Tode Gustav Adolfs verwilderten Schweden suchten die Kaiserlichen in Greuel noch zu übertreffen. Gewalttat und Mord, Plünderung und Brand, schreckliche Mißhandlung der armen Bewohner folgten. Überall wurde gebrandschatzt. Im Schlosse zu Schlettau lag Leutnant Peter Kupfer; der Ort mußte 1250 Taler beschaffen und außerdem nahm man den silbernen Schützenvogel (80 Taler wer) und viel Geschmeide mit fort. Das Vieh wurde weggetrieben. 1640 lagen Teile des Banérschen Heeres hier und 1646 schlug der schwedische General Wrangel sein Hauptquartier hier auf.
Durch Kriegsnot und Krankheit war die Bewohnerschaft Schlettaus während des 30jährigen Krieges auf 19 Familien herabgesunken. Beim Herannahen des Feindes flohen die Bürger in die Wälder oder sie verbargen sich in Stollen oder anderen Verstecken. Viele waren so verarmt, daß sie betteln gehen mußten, viele starben den Hungertod. — So sah Schlettau um 1630 aus.
—cj.—
(Die Artikelserie wird fortgesetzt.)