Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt Nr. 37, 134. Jahrgang, 22.09.1940, S. 1 – 2.
Am Scheibenberg war ehemals Weidegelände für 300 Stück Rindvieh *)
Aus der Geschichte der alten Bergstadt am „Orgelberg”, wie der Scheibenberg in früheren Zeiten auch genannt wurde, soll im Folgenden einiges berichtet werden. Mir liegt dazu ein altes Büchlein vor, vergilbt, an den Rändern gerissen, aber ein Originaldruck aus dem Jahre 1839, verfaßt von dem damaligen Scheibenberger Pastor Carl Benjamin Dietrich, das wertvolle Notizen aus der Geschichte Scheibenbergs enthält.
1515 entdeckte der angesehene Fundgrübner Caspar Klinger zu Elterlein einige reiche Silbergänge im Scheibenberg. Das hat bergbaulustige Männer aus den Nachbarorten, vor allem aus dem damals schon überfüllten Annaberg (Annaberg wurde 1496 gegründet!), bewogen, sich nach der neuen Fundstelle zu wenden. Anfangs wohnten die so Herbeigelockten in dem Dorf Scheibe, wo schon längst ein blühender Eisenbergbau herrschte. Es geschah aber schnell, daß das kleine Dorf übervölkert war und man sich nach einer anderen Wohnstätte umsehen mußte. So ließen im Jahre 1522 die damaligen Herren dieses Gebietes, die Herren Ernst und Wolf von Schönburg, in dem dichten und morastigen Wald, der ehedem hier stand, Baum um Baum niederschlagen, eine Stadt abmessen und nach einem regelmäßigen und gefälligen Plan anlegen.
Im Gründungsjahr 1522 wurde auch die erste Scheibenberger Kirche mit gebaut. Das Gotteshaus des Jahres 1522 war ein einfacher Holz- und Lehmbau. Der Bau soll nur 227 Taler gekostet haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die alte Kirche dort stand, wo heute die neue steht. Die alte Kirche ist abgetragen worden; 1559 fing man an, eine neue zu erbauen, diesmal völlig aus Stein. Die Kirche wurde erst 1571, und zudem noch ohne Turm, vollendet. Zum Kirchturm wurde im April 1697 der Grundstein gelegt. Aber erst im Oktober 1774 wurden Knopf, Fahne und Stern aufgemacht, im Mai 1804 wieder heruntergenommen und verändert wieder hinaufgebracht. 1754-56 ist das alte Schindeldach abgenommen und die Kirche beschiefert worden.
Der Friedhof befand sich ursprünglich neben der Kirche. Im Jahre 1600, als in Scheibenberg die Pest wütete, wurde der neue Friedhof an der Straße nach Annaberg zu angelegt. 1618-19 ist dort auch eine Friedhofskapelle gebaut worden. 1813 wurden in der Kirche gefangene Franzosen untergebracht; da fand der Gottesdienst lange Zeit auf dem Friedhof statt.
Am Tage Maria Magdalena fand alljährlich die kirchliche Feier des Bergfestes statt. Nach einer Bleistift-Bemerkung, die ich vorfand, soll diese Feier im Jahre 1868 das letzte Mal durchgeführt worden sein.
Anfangs hatte Scheibenberg nur einen Lehrer. 1706 ist zum ersten Mal auch ein Schulgehilfe tätig. 1763 wird das Organistenamt eingeführt. Bis dahin war der Organistendienst mit dem Stadtschreiberdienst verbunden. Seit 1836 wurde alljährlich auch ein Schul-Fest gefeiert. Zu Michaelis 1838 besuchten in Scheibenberg 296 Kinder die Schule; Scheibenberg hatte 1839 gegen 1800 Einwohner in 169 Häusern.
Auch Scheibenberg ist von schweren Feuersbrünsten nicht verschont geblieben. Am 1.8.1529 brannte schon nahezu die ganze Stadt nieder. Im Jahre 1677 sind 46 Häuser und 12 Scheunen abgebrannt. Im Oktober 1710 wütete wieder eine Feuersbrunst, der 52 Häuser und das Rathaus zum Opfer fielen. 1733 brannten 7 Scheunen, 1740 brannten 17 Häuser weg. Hundert Jahre nach dem letzten großen Scheunenbrand, am 6.4.1833, gingen wiederum 6 Scheunen, die am Crottendorfer Weg standen, in Flammen auf. Das hat viel Schaden und viel neues Bauen gegeben. So kam es auch, daß Scheibenberg immer ein ansehnliches Aussehen hatte. Nur einmal bemerkt der Chronist — das mag sich wohl auf seine Zeit, also auf die Jahre um 1839, beziehen —: „Das Pflaster könnte und sollte in der Stadt fast durchgängig besser sein!”
Scheibenberg hat um das Jahr 1839 eine ganze Reihe von angesehenen Innungen und Meistern gehabt. Die führenden seien erwähnt: Allen Innungen voran standen die Posamentierer mit 93 Meistern; dann kamen die Nagelschmiede mir 31 Meistern und 20 Schmiedewerkstätten; dann die Schuhmacher mit 28 Meistern. Insgesamt sind um die genannte Zeit 10 Handwerksinnungen vorhanden.
*) Dieser Hinweis ist besonders interessant, nachdem wir im Tageblatt vom 21. August 1940 eine aufschlußreiche Abhandlung veröffentlichten, die dem Ausbau der Grünland- und Weidewirtschaft in unserer Heimat das Wort redet. Unsere Vorfahren waren also vor 100 Jahren durchaus auf dem richtigen Weg, den Boden auf Grund der gegebenen klimatischen Verhältnisse richtig auszunutzen. ->