Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 14, 4. April 1926, S. 2
Ein Wasserkasten auf der Richterwiese wurde von dem Beckstollnwasser und dem unteren und oberen Drei-Tannenwasser gespeist. Er war ganz verfallen, weil man die zur Weiterleitung des Wassers notwendigen zehn Schock Holzröhren nicht beschaffen konnte.
Auf Eisenstucks Reformpläne für den Ausbau der Annaberger Wasserleitung scheint man nicht sehr eingegangen zu sein. Die Verhältnisse spitzten sich immer mehr zu. Die Viertelsmeister protestierten zwei Jahre später gegen jede weitere Verleihung von Privatwassern, von denen es 170 gab. Diese liefen aber nur noch wie ein Federkiel stark. Im Sommer wuchsen Schwämme in den Röhren, die im Winter bei Frost die Röhren zersprengten! Es waren geradezu haarsträubende Zustände, in die wir uns nur schwer zurückversetzen können. Ja, ja, die „gute alte Zeit“ hatte es wie alte Wasserröhren manchmal in sich!
Als 20 Jahre später wieder fühlbarer Wassermangel eintrat, sollte der damalige Senator Benedict im Auftrage des Rates dem weiteren Verfall der Stadtwässer Einhalt tun. Benedict ging seiner Berufung tatkräftig nach und entdeckte 1804 das Sandgrubenwasser, welches er, wie mehrere zwischen der Sandgrube und dem großen Drußenstollen gefundene Quellen fassen und nach dem Drußenstollen leiten ließ. Den Schacht am Einschlägerhäuschen nach dem Bärenstollen ließ er in den Jahren 1807 bis 1811 abteufen. 1808 entdeckte er am Pöhlberge in der Nähe der Basaltsäulen ein neues Stollenwasser, aus einem zusammengebrochenen Stollen, dem er bezeichnenderweise den Namen „Annaberger Hoffnungsstollen“ gab, der später aber „Kleiner Beckenstollen“ genannt wurde. Das Wasser kam von dort so reich geflossen, daß man das Drei-Tannenwasser liegen ließ, weil man dadurch 10 Schock Röhren sparte.
Benedicts Arbeiten halfen für lange Zeit, da er die Stollen säubern und meist mit Stein ausmauern ließ. In seinem Sinn verfuhr Bürgermeister Scheibner von 1843 bis 1868, welcher der weiteren Säuberung und Ausmauerung der wasserspendenden Stollen seine ganze Aufmerksamkeit widmete.
Die grundlegende Umstellung der Annaberger Wasserversorgung ist Benedicts spezielles Verdienst. Unter seiner Amtszeit brach man endgültig mit dem System der Holzröhren als Zuleitung. Anfang 1865, vor nunmehr reichlich 60 Jahren, trat der Rat mit dem Wasserwerksbau-Unternehmen J. u. A. Aird (Berlin) und dem Wasserbautechniker Oberingenieur E. Henoch (Plauen) in Verbindung, um ein neues Wasserwerk zu bauen. Unter beider Zusammenarbeit wurde die Annaberger moderne Wasserleitung geschaffen. Es bestanden seiner Zeit 1862 72 öffentliche Tröge und 270 Privatleitungen, 142 mit ganzem, 128 mit halbem Wasser.
Die vorhandenen Quellen wurden neugefaßt und gesammelt in zwei, in möglichst hoher Lage erbaute Bassins (neben der alten städtischen Ziegelei und am oberen Ende der Röhrgasse) geleitet und durch die ganze Stadt mit einem Netz gußeisernen Röhren verteilt, die in Bleirohre abzweigten und 27 öffentliche Häuser und 555 Privatzuleitungen zu häuslichen, wirtschaftlichen und gewerblichen Zwecken speisten und auch noch an 29 größere gewerbliche Betriebe, 27 Straßenständer, 18 Gartenleitungen und 4 Fontänen Wasser abgaben.
Das laufende Wasser hatte durch den Wasserhahn sein Ende gefunden. Die Einwohnerschaft wollte sich allerdings schwer daran gewöhnen, weil sie das fließende Röhrtrogwasser gewöhnt war und von dem durch Hähne abgeschlossenen Wasser gesundheitliche Schädigungen befürchtete. Diese Angst kam auch durch das aus den gußeisernen Röhren kommende, in den ersten Monaten sehr trübe fließende Wasser. Deshalb hatte der Rat, auf diesen zu erwartenden Übelstand aufmerksam gemacht, im Juli 1866 schon Vorkehrungen getroffen, indem er für die nicht für das städtische Wasserwerk gefaßten Quellen in der Stadt selbst Rohrtröge bauen ließ, die von den Kellerwassern der Stadt (Försterkellerwasser, Armenhauskellerwasser, Florkellerwasser, Aumannkellerwasser und Stadtgutkellerwasser) Zufluß erhielten. Diese öffentlichen Bottiche wurden im Frühjahr 1867 beseitigt, das ihnen bisher zuströmende Wasser gegen einen jährlichen Zins den betreffenden Hausgrundstücken neu verliehen.
Nachdem die Kinderkrankheiten jeder Wasserleitung überwunden waren, floß das Wasser auch aus den verpönten Hähnen, die man wohl als sehr praktisch fand, denen man jedoch sehr viel Mißtrauen entgegengebracht hatte, kristallhell und selbst im heißen Sommer erfrischend kühl.
Mit der neuen Wasserleitung erfuhr auch der Feuerschutz der Stadt eine wesentliche Förderung durch Aufstellung von 74 Hydranten.
Aber auch diese 1866 in Betrieb genommene Annaberger Wasserversorgung wäre heute längst nicht mehr ausreichend – und wo sollte gar die Motorspritze in der Minute 1000-1200 Liter Wasser hernehmen, wenn die Stadtväter nicht für weiteren Ausbau gesorgt hätten. 1832 zählte Annaberg 6877 Einwohner, 1843 7809 und 1867 11.272, heute aber rund 18.000 Einwohner, für welche die Wasserversorgung von 1866 natürlich nicht mehr genügen würde.
(Ende.)